Zeitreise im Johann Puch Museum

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Während Micky im Zuge einer Firmenfeier in Oberösterreich weilte, durfte ich der Einladung der GBG (Gebäude-und Baumanagement Graz) im Rahmen des Architektursommers folgen und an einer „Zeitreise“ im Johann Puch Museum teilnehmen. Der Anlass war der 15. Geburtstag des Museums, dessen historische Hülle sich seit kurzem unter den schützenden Händen der GBG befindet.

Es gab zwei Führungen und die Möglichkeit sich in einen der ausgestellten Puch Haflinger und Puch 500 zu setzen und Fotos zu machen. Durch den ersten Teil in der denkmalgeschützten Halle „P“ führte uns Herr Dr. Piffl-Percevic. Seines Zeichens Gemeinderat der Stadt Graz, einer der Gründungsväter des Puch-Museum und somit Puchianer durch und durch.

 

Noriker

 

Gestartet sind wir in jenem Teil der Halle in denen heute die Automobile ausgestellt sind. Beginnend bei der Puch Voiturette aus dem Jahr 1906, über die Steyr-Puch Modelle 500, Haflinger, Pinzgauer, Noriker und vielen weiteren, bis hin zu den von Magna Steyr mitentwickelten oder hier in Graz produzierten Fahrzeuge wie z.B. Golf Country, Fiat Panda 4×4, Chrysler Voyager, Mini Countryman, Peugeot RCZ.

Vielleicht sollte an dieser Stelle erklärt werden wie es dazu kommt das 119 Jahre nach Gründung von „Puch“ neue Fahrzeuge in der Halle stehen.

Hierzu ein bisschen Geschichtsunterricht:

Janez Puh wurde 1862 in Slowenien auf einem kleinen Gehöft in eine Bauernfamilie geboren. 1878 begann er in Bad Radkersburg eine Schlosserlehre, 1882 kam er im Zuge seines Militärdienstes als Schlosser zur Artillerie nach Graz ins Zeugdepot.

Nach dem Militärdienst arbeitete er in einigen der neu gegründeten Fahrradfabriken und wurde 1888 Werkführer der Fahrradfabrik Albl in Graz. 1889 erwarb er den Gewerbeschein als Schlosser und begann mit der Niederfahrradproduktion. Bald wurde die Produktion auf Motorräder und auf Automobile ausgeweitet. 1897 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen ihm und seinen Geschäftspartnern. Puch schied aus dem Unternehmen aus und bekam eine Abfindung, unter der Bedingung zwei Jahre lang keinen Konkurrenzbetrieb zu eröffnen. Da er aber ein schlaues Kerlchen war, machte er eine neue Firma unter dem Namen seiner Mitarbeiter auf und umging so die Regelung.

 

 

1899 wurde dann das neue Unternehmen als „Johann Puch – Erste steiermärkische Fahrrad-Fabriks-Aktien Gesellschaft“ in das Handelsregister eingetragen. 1903 war die Produktion der einspurigen Motorräder voll im Gange, 1904 wurden die ersten Automobil-Prototypen hergestellt, die jedoch erst 1906 serienmäßig produziert wurden.

Die Herzerkrankung von Puch (die er seit 1893 hatte) machte ihm immer mehr zu schaffen und er musste zurücktreten. 1911 schrieb er einer Automobil-Zeitschrift das “der Motor in seiner Brust eine veraltete Konstruktion sei. Er lässt in der Tourenzahl nach.“

Als 1912 der österreichische Flugpionier Eduard Nittner mit seinem Flugzeug von Wien nach Graz flog, landete er mit einem sehr steilen Gleitflug hinter einer Bergkuppe. Puch, der ihm entgegen gefahren war, glaubte das Nittner abgestürzt sei und regte sich darüber so auf das er erneut eine Herzattacke erlitt. Auf Drängen der Ärzte schied er aus der aktiven Leitung der Firma aus und wurde Ehrenpräsident. 1914 – ein paar Tage vor Ausbruch des 1. Weltkrieges – verstarb Johann Puch während eines Pferderennen in Zagreb.

1914 wurde die „Erste steiermärkische Fahrrad-Fabriks-Aktien Gesellschaft“ durch eine Generalversammlung der Aktionäre in die „Puch-Werke Aktiengesellschaft“ umbenannt.

1928 wurden die Puch-Werke mit der österreichischen Daimler-Motoren-AG fusioniert.

1934 erfolgte die Zusammenlegung mit der „Steyr AG“ zu „Steyr Daimler Puch“.

In den Kriegsjahren 1942/43 entstand am südlichen Grazer Stadtrand das heutige Werk Thondorf, das Werk II, dem ein eigenes Buch gewidmet ist. Bis weit in die 50er-Jahre zählten die Puch-Werke zu den modernsten Zweiradproduktionsstätten in Europa.

1987 begann der Verkauf der einzelnen Produktionssparten:

  • Fahrradsparte wurde an die italienische Firma Bianchi verkauft (1987)
  • Mopedsparte an den Piaggio-Konzern (1987)
  • LKW-Sparte an MAN (1990)
  • Traktorenproduktion an den US-amerikanischen Case-Konzern (1990)
  • Busproduktion an Volvo (1990)
  • die zwei restlichen Sparten Fahrzeugtechnik und Antriebstechnik schnappte sich Magna

 

Die verbleibende Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik AG & Co. KG in Graz wurde 2001 mit der Magna Europa AG zu Magna Steyr verschmolzen. Heute ist die Marke Puch als Motorraderzeuger vom Markt verschwunden. Seit 2012 lässt der österreichische Piaggio-Generalimporteur Faber Citybikes und E-Bikes unter dem Markennamen Puch produzieren, auch das legendäre Waffenrad wurde in moderner Interpretation wieder aufgelegt.

 

 

Bei der zweiten Führung durch das Museum führte uns der Leiter des Puch Museums, Karlheinz Rathkolb, durch den “Zweirad“-Bereich. Dort hörte ich mich öfters „das haben wir auch zu Hause stehen“ sagen. Nur ein Fahrrad vermisste ich: Ein Puch Luxus. Auf Nachfrage bei Herrn Rathkolb bestätigte er mir das wirklich kein Puch Luxus im Museum ausgestellt ist. Was sich aber jederzeit ändern könnte, wenn ich mein Fahrrad hier ausstellen würde. Schließlich sind viele der Ausstellungsstücke Leihgaben (80% bei den Zweirädern, 20 % bei den Automobilen).

 

originalverpackt

 

Ein Waffenrad aus dem Jahre 1987 hat mich bei meinem letzten Besuch im Museum schon zum Nachdenken gebracht. Es hängt von der Decke und ist unter einem Karton „versteckt“. Warum? Diesmal bekam ich meine Antwort und die ist so simpel das es schon wieder amüsant ist. Es handelt sich um ein Waffenrad, das bei einer Kellerräumung entdeckt wurde und einfach nie ausgepackt wurde.

Das Graz nach wie vor eine „Puch-Stadt“ ist, bestätigt sich durch eine Schätzung von Rathkolb. Seiner Meinung nach sind in Graz noch etwa 15.000 bis 20.000 Puch Clubman unterwegs, was sich auch bei einem Besuch der Grazer Innenstadt bestätigt.

 

Weitere Highlight bei den Zweirädern sind u.a.:

  • ein Puch Maxi mit der Produktionsnummer 1.000.000
  • ein Puch Maxi mit der Produktionsnummer 3.000.000 (das Maxi mit der Nummer 2.000.000 gibt es natürlich auch noch, wird aber von einer Witwe versteckt)
  • eine Puch MC 50 aus dem Jahre 1967, mit 49 ccm, 7 Gang, 11,5 PS bei 11.000 U/min
  • und eines meiner persönlichen Highlight ist das Puch Mistral Ultima in Profigrün. Das liegt aber daran das dies eines der schönsten Rennräder (für mich) ist.

Beim letzten Programmpunkt unserer Puch-Zeitreise, erzählte uns Dr. Christian Brugger (Landeskonservator für Steiermark) einiges über die Halle P. Das P steht übrigens für Pinzgauer, da auch dieser in der Halle gefertigt wurde. Sie war die erste Halle die im Einser Werk gebaut wurde. Das Zweier Werk ist das heutige Magnawerk in Thondorf.

Baubeginn vom Werk 1 war 1908, somit war Johann Puch auch noch vor Ort. Die Stahlkonstruktion wurde u.a . von der Andritz AG gebaut und war für die damalige Zeit topmodern.
Was einem als Besucher dort auffällt ist, wie hell die gesamte Halle ist. Durch die Dachfenster strömt sehr viel Licht hinein, sodass elektrisches Licht fast überflüssig ist.
Anbei einige Impressionen aus dem gut gefüllten Museum, man kann Stunden darin verbringen um sich durch alle Exponate zu schmökern.

 

 

 

Johann Puch Museum
Das Johann Puch Museum befindet sich in der Puchstraße 85-119 in 8020 Graz und kann zu folgenden Zeiten besucht werden:

• Freitag: 13:00 bis 18:00 Uhr
• Samstag: 13:00 bis 18:00 Uhr
• Sonntag: 10:00 bis 18:00 Uhr
• An Feiertagen geschlossen!

 

Weiterführende Links:

GBG

Johann Puch Museum

Architektursommer

Mit dem Puch Pinzgauer auf die Rudolfswarte

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1 Response

  1. 30. Dezember 2018

    […] Puch Pinzgauer des Johann Puch Museums Graz ging es zur frisch restaurierten Rudolfswarte. Selbiges Museum hat Anja im Zuge des Architektursommers […]

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