Volvo 340 GL Sedan: Der Käseelch

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Es ist 1996

Meine Freundin ist weg und bräunt sich

in der Südsee (allein?)

Ja, mein Budget war klein (na fein)

Herein, willkommen im Verein.

Fettes Brot, Jein

Ja, ich wiederhole mich! Aber was schon bei der Estrella gut gepasst hat, passt auch hier bei dieser Story wieder perfekt als Anfang.

 

Neunzehnsechsundneunzig
Mein nagelneuer Führerschein war gerade erst getrocknet. Nach meinem ersten Auto, einem 86er-Fiat Uno 50S mit Vergaser und sonst nichts, stand mir der Sinn nach mehr Leistung. Ein gut gebrauchter weißer Fiat Uno Turbo i.e. aus dem Jahr 1991 kam im Frühjahr auf den Hof. Im Herbst war diese heiße Liaison schon wieder vorbei, ein im linken Vorderwagen eingeschlagener Toyota Carina II, trennte diese kurze aber heftige Affäre. Sollte wohl nicht sein mit uns beiden.

Nachdem der Winter bevor gestanden hatte, musste schnell was Fahrbares ins Haus. Denn wohnen am Stadtrand, weit abseits vom öffentlichen Verkehrsnetz und geteilte Dienste bis spät in die Nacht hinein, in der Gastronomie machten ein eigenes Auto bitter notwendig. Ein Bekannter meiner Eltern vermittelte flott und unbürokratisch einen Volvo 360. Acht Jahre alt, frisch bepickerlt und mit neuen Winterreifen darauf. Um wohlfeile S 35.000.- wurden wir handelseinig. Gut, das war definitiv nicht meine erste Wahl, aber immerhin besser als zu Fuß durch Eis und Schnee Heimwandern. Liebe auf den ersten Blick war das definitiv keine. Auch nicht auf den zweiten und jeden weiteren nicht.

 

Das einzige Bild meines Volvo 360. Wurde auch nur geknipst, weil die Katze so dekorativ im Kofferraum saß. Das Bild mit diesem Rahmen, stand knapp 20 Jahre bis zu Omas Tod auf ihrer Kommode, da das Kätzchen auch ihr Liebling war.

 

Aber er fuhr und heizte! Meine Güte, konnte der heizen! Kein Vergleich zu den beiden Italienern, die ich vorher fuhr. Selbst im tiefsten Winter bei bitteren Minusgrade zog man wie selbstverständlich die Chevignon-Daunenjacke aus. Denn nach ein paar Minuten Fahrzeit saß man in der fahrenden Sauna.

Im Jahr darauf zog es mich auf Wintersaison ins Tirolerische. Dort waren die Winter noch echte Winter. Schnee ohne Ende, reichlich Eis und Matsch, ideal um die wahren Qualitäten des Schweden aus Holland auszutesten. Auf der Anreise ins geheiligte Land Tirol übers deutsche Eck, konnte der mollige 2 Liter Volvomotor zeigen, was er konnte. Stieg man nach 6 Stunden aus dem kantigen  „Käseelch“, war man gleich frisch wie zu Beginn der Reise. Perfekt ergonomische Sitze sorgten für ermüdungsfreie Reisen. Der Heckantrieb sorgte für gute Laune im winterlichen Fahrbetrieb, das war doch ganz was anderes als die faden Frontkratzer!

 

Neunzehnhundertneunundneunzig 
Ein Jugendtraum wurde mit dem Kauf des MX-5 wahr, somit war der 360er obsolet und konnte weiterziehen. Keine Träne wurde dabei von mir vergossen, Hauptsache weg! Aus den Augen, aus dem Sinn!

So weit meine Vorgeschichte zur Volvo 300er-Serie, die hierzulande keine wirkliche Fangemeinde hat. Die echten Volvofans winken müde ab, für die ist das kein echter Volvo. Der nur geduldet wird, weil Volvo in den 1970ern die PKW Sparte des holländischen DAF Konzern übernahm und den fast fertig entwickelten DAF 77 quasi als Mitgift bekam. Der Motor kam von Renault, die stufenlose Variomatik galt bei DAF als gesetzt. Das leicht bedienbare Automatikgetriebe mit Vorwärts, Rückwärts, Park- und Neutralstellung war sehr beliebt bei Pensionisten, Hausfrauen und Menschen mit eingeschränktem technischen Verständnis. Statt dem DAF Logo kam das von Volvo dran und die Modellreihe 300 ging im Jahr 1977 in Serie. Zum Dreitürer kam der Fünftürer, später das Stufenheck. Auch der oben genannte 2-Liter-Motor aus hauseigener Produktion fand in den kleinsten Volvo, dazu das konventionelle Schaltgetriebe. Die Produktion lief bis 1991, rund 1,1 Millionen liefen vom Band, davon nur 146.000 Exemplare mit Stufenheck.

Cut!

 

Zweitausenddreiundzwanzig
24 Jahre nachdem ich meinen Volvo 360 verkauft hatte, kontaktiert mich Bruno. Jener Bruno, der mir 2008 bereits eine kleine Limousine, den Mazda 818 Sedan de Luxe aka die Erbse verkauft hat. Irgendwann habe ich ihm wohl erzählt, dass ich ganz tief in mir einen Softspot für die Serie 300 von Volvo habe. Jetzt, nach eineinhalb Jahrzehnten  hätte er wieder eine  kleine Limousine für mich. Wieder eine, die keine Lobby hat und die Klassikfans sicher nicht in Jubelstimmung verfallen, wenn sie ihrer ansichtig werden.

 

 

So ein Volvo 340 GLA Sedan aus dem Mai 1984 in Silber ist definitiv kein Prinz. Weit abseits aller Schönheitsideale kann man ob seiner skurrilen Form mögen. Richtig große positive Emotionen fallen einem schwer, dafür zu empfinden. Das Pendel schlägt bei den meisten eher in das Gegenteil aus.

 

 

Nach einigen Chatnachrichten zwischen Bruno und mir und unzähligen Bildern vom holländischen Elch, war es dann doch notwendig, sich selbst einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Man will ja schließlich nichts versäumen, oder sich später mal den Vorwurf machen, man hätte was versäumt!

 

Rein in die heimelige Stube!

 

Nach allerhand Gelabere um und über den 340er in Brunos Garage, wurde es Zeit das Stufenheck anzuwerfen. Zweimal das Gas durch gepumpt, den Choke gezogen, Fuß auf die Bremse und dann den Zündschlüssel herumgedreht, dabei mit leichten Gasstößen den Motor zum Leben erweckt. Und schon lief der 1400er DAF 77, wie er ursprünglich heißen sollte. Mit einem Druck am Schalthebel wird der Retourgang sachte eingelegt und man rollt rückwärts aus der Garage.

 

 

Variomatik – Fluch oder Segen?
Bis dahin, ist das simples Automatikfahrverhalten. Legt man dann den Vorwärtsgang ein, ändert sich alles, was man bisher so in knapp 30 Jahren Autofahren erlebt hat. Denn wenn man als ehemaliger Automatikfahrer darauf wartet, dass nach einer gewissen Drehzahl nach oben geschaltet wird, der irrt sich aber sowas von!Das hat mir dann auch Bruno mitgeteilt, als wir auf der Landstraße Tempo 70 erreichten:

„In diesem Moment hast du das komplette Fahrerlebnis des Volvo 340 gehabt, mehr wird das nicht“.

Gut, die Drehzahl pendelt sich da irgendwo bei 3000 bis 3200 Touren ein und sinkt auch nicht mehr. Das ganze klingt dann permanent so, wie wenn ich auf Supermarktparkplätzen den reifen Damen und Herren zusehe, wie sie mit viel Gas und schleifender Kupplung ausparken und im ersten ausgedrehten Gang aus das Gelände des Einkaufstempels verlassen. Eine Geräuschkulisse, die man mögen muss. Oder der Idealzustand für Paare, die lange zusammen sind und sich nichts mehr zu sagen haben!

 

 

Auch nach mehreren Kilometern gewöhnt man sich da nicht so schnell daran. Da hilft auch das Radio nichts, am besten wär eine leichte Schwerhörigkeit, damit man den Lärm der Variomatik ausblenden könnte. Das 300er-Fahrgefühl war wieder da wie einst im Jahr 1996, aber auch nicht. Der alles entscheidende Funke ist zwischen uns nicht übergesprungen, dass ich sage den muss ich unbedingt haben. Dabei fährt er, bremst, ist frisch gewartet und macht, was so ein 40 Jahre altes Auto machen soll. Auch die serienmäßige Lederausstattung – ja, das gab es ab Werk – reißt die Stimmung nicht herum.

 

 

So wird das nix mit uns beiden, auch wenn die Lust auf was neues altes durchaus da war bei mir. Erzwingen soll man nix, wenns nicht zu hundert Prozent passt. Aber vielleicht ist der 340 Sedan ja was für dich? Ich vermittle bei Interesse gerne an Bruno weiter, damit der 340 in gute Hände kommt. Verdient hätte er es.

 

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