Die letzten Kiesplatzhändler

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Wo sind die Zeiten hin, als man beim Gebrauchtwagenhändler, mit fein gekiestem Hof, noch einen Ford Granada ’78 mit Zwo-Liter V6 Motor aus Erstbesitz, mit frischem Pickerl, Lammfellschonbezügen auf den Sitzen und echten 72.000 Kilometern auf der Uhr um 1400 Euro kaufen konnte?

Lange her sind diese glorreichen Zeiten, als man noch für den aktuellen Gegenwert eines Premium-Smartphones auch einen stylishen fahrbaren Untersatz mit gültiger Straßenzulassung bekam. Die coolen Autos der 70er sind längst in festen Händen oder zu utopischen Preisen in einer der Online-Autobörsen gelandet. Seit meinem ersten Klassikerkauf sind beinahe 20 Jahre vergangen, der damals 27-jährige Granada, kratzt hart an der 50 Jahres Schwelle.

Wie schon 2014 und 2019, bei meinen letzten Kiesplatzstreifzügen durch Graz und dessen Umland, wollte ich im März 2023 nur eines wissen: Gibt es noch lässige Autos aus den 90ern, die für kleines Geld zu haben sind und sofort straßentauglich sind? Kann man noch ein Schnäppchen machen bei einem der Händler, oder sind die coolen Kisten schon alle weg von den Straßen, exportiert oder hat sie bereits der Schrotthändler eingepresst? Denn irgendwie gelüstet es mich nach einem alltagstauglichen Dailydriver, der auch das Herz anspricht, mehr als es mein dreizylindriger kreuzbraver Alltagskombi tut. Ein Platz am Wechselkennzeichen wäre noch frei, da wäre es doch schade, wenn man ihn nicht nützt.

Ein großes Thema, wie mir so mancher Händler hinter vorgehaltener Hand gestanden hat, ist die Gewährleistung bei so alten Gebrauchtwagen. Den Schuh will sich natürlich keiner anziehen. Eine Übersicht, was man als Konsument in Österreich für Rechte hat, findet man beim ÖAMTC. Na dann sehen wir mal, was uns die wenigen Händler, die noch Gebrauchtwagen anbieten, die älter als 6 Jahre sind, im Angebot haben.

In der ehemaligen Automeile, der Kärntnerstraße, in Graz-Straßgang ist einer der wenige, die diese Gattung Fahrzeuge anbietet und auch mit einem Preisschild versieht. Da steht in erster Reihe ein hellblauer Ford KA, gut ausgestattet, mit Doppel-Airbag, Klimaanlage und frischem Pickerl um knapp zweitausend Euro. Nachdem der Twingo gerade so boomt, ist anzunehmen, dass auch der KA bald preislich das Tal der Tränen verlassen wird.

 

 

Ein Fahrzeug, das nie das Straßenbild nachhaltig geprägt hat, ist der Rover 25. Sieht man dann erst seine skurrile Ableitung davon, den Rover Streetwise in SUV-Optik, wirft er mehr Fragen auf, als dass er beantwortet. Wo kann man den Streetwise verorten? Eindeutig in der Poloklasse. Mit rustikalen grauen Plastikstoßstangen und Radläufen, breiten Schutzleisten, Zusatzscheinwerfern in der Front, Fahrwerk höhergestellt und Dachreling mimt er den rauen Burschen, der bereit ist einen mit ins Abenteuerland zu nehmen.

Solche Fake-Offroader gab es ja bisweilen so einige, die sich mit der Optik des Audi Allroad schmückten, dabei aber mit ihrem Frontantrieb und keinerlei Offroadkompetenz auf Möchtegern-Abenteurer abzielte. Knapp 3 Jahre von 2003 bis 2005 war der Streetwise erhältlich, dann folgte der Abgesang der MG-Rover-Group mit der Pleite. Das am Dach und der Motorhaube ist übrigens keine Effektlackierung, sondern schlicht und einfach Lackschäden.

 

 

Ein paar Kilometer stadteinwärts werde ich wieder fündig. Ein buntes Sammelsurium an verlebten Fahrzeugen wartet auf Interessenten. So wie die Fahrzeuge präsentiert werden, ist man sich nicht sicher, ob es sich um einen privaten Lagerplatz handelt, oder doch ein gewerbliches Interesse dahinter steckt.

Ein signalroter Mercedes 190E mit Rost am verchromten Kühlergrill und verlustig gegangenem Stern wartet auf einen Retter. Preiszettel? Fehlanzeige.

 

 

Ebenfalls rot ist der Dreier-Golf mit gruseligen Tuning-Blinkern. Die letzte Autobahnvignette datiert von 2019, das § 57a Pickerl wurde vorsorglich abgekratzt.

 

 

Mein persönliches Highlight am Platz ist aber der weiße waidwunde Cadillac Eldorado, mit dem 32V Northstar V8 Motor. Auch dessen beste Zeiten sind schon lange vorüber, Moos hat sich an so mancher Ecke angesetzt und die Schmutzschlieren, die sich ringsum finden, lassen auf eine längere Standzeit schließen. Ob aus den vier Auspuffrohren jemals wieder der V8-Sound erklingen wird, will ich hoffen, aber nicht so recht glauben.

 

 

In der Triesterstraße, nicht unweit vom Zentralfriedhof, findet sich auch so manch ein Fahrzeug, das nicht mehr viel vom endgültigen Abschied trennt. Einbremsen hat mich der grüne Citroën AX lassen, ein Fahrzeug, was fast von unseren Straßen verschwunden ist. Der hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, mehr Mängel als fette Sprünge in der Frontstoßstange konnte ich allerdings nicht ausmachen, dazu war er zu sehr zugeparkt.

 

 

Ein weiterer Ford KA findet sich auch hier, dieses Mal in dunkelgrün-metallic. So auf den ersten Blick macht er trotz Staubschicht einen passablen Eindruck.

 

 

Gleich daneben findet sich ein Rover 45. Wieder einer der Rovers, dessen Ende erst mit dem Untergang des MG-Rover-Konzerns besiegelt war. Seinen Ursprung hat der 45 im fünftürigen Honda Civic aus den frühen 90ern. Mit allerlei Modellpflegen wurde aus dem Rover 400 über die Jahre der 45, der optisch dem größeren 75er angeglichen wurde.

 

 

Alles in allem war da aber kein Fahrzeug in diesem Potpourri dabei das man gerne mit nach Hause nehmen würde. Keines, das das Herz so weit erweicht und genügend Emotionen weckt. Tja, so wird das nichts mit dem freien Platz am Wechselkennzeichen, der bleibt bis auf Weiteres noch frei.

Mehr Bock auf Kiesplatzsichtungen? Dann besuch doch mal meinen norddeutschen Freund Lars und sieh dir seine Funde auf Watt’n Schrauber in der Rubrik Entdeckt: Sichtungen am Straßenrand an. Aktuell gibt es dort gerade einen Opel GT zu sehen.

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4 Responses

  1. Fabian sagt:

    Schade, dass diese Händler und mit ihnen so manche „Klassiker“ vom Straßen(rand) verschwinden. Nur noch online zu suchen, macht auch keinen Spaß.

  2. Micky sagt:

    Ewig Schade! Und auf den Verkaufsplattformen wird über die Zustände der Fahrzeuge gelogen, das sich die Balken biegen.

  3. Tinauer sagt:

    Ich erinnere mich an das Autoland in der Kärntner Straße, in den 80er war das Angebot riesig..

  4. Micky sagt:

    Autoland, Sportwagen Seidler, der US-Car Händler vor der Unterführung Don Bosco….. das Angebot war genial, auch noch in den 90ern. Jetzt wird’s immer weniger, nur mehr seelenlose Leasingrückläufer, in weiß, grau und schwarz.

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