Waldfund: Škoda 100 – Ein vergessener Ostblock-Klassiker
Wie ich Lost Places finde
Wie so oft komme ich an Lost Places über das stöbern in der Geocaching-App, Tipps von Freunden oder man stolpert ganz zufällig darüber, wie beim Puch 500, der mich tief im Wald aus seinen hohlen Scheinwerferhöhlen angegrinst hat.
Ein Tipp in der Rust’n’Roll-Gruppe
Beim aktuellen Fund war es ein Tipp in der „Rust’n’Roll“-WhatsApp-Gruppe, die ich mit einigen ebenfalls schwerst Altblech-verstrahlten Freunden teile. Bernhard hatte im Spätherbst 2021 ein Bild von einem verwitterten Auto auf einer Wiese in die Gruppe geschickt. Das Auto war wohl einer Bekannten von ihm beim Wandern untergekommen.
Dazu gab es eine vage Ortsangabe, die man nach etwas Nachbohren ein wenig einschränken konnte. Später kam noch ein Screenshot einer Webseite, die Geoinformationen für das Bundesland bereitstellt. Darauf konnte man viel Wald erkennen, eine kleine Lichtung und den markierten Fundort. Dabei stand der Name des Berges und die Höhenmeterangabe. Ich habe mir aufgrund dieser Informationen und des ungefähren Fundortes diese Webseite durchgesehen, die Karte Zentimeter um Zentimeter verschoben und irgendwann wurde ich dann doch fündig.
Die erste Suche und ihre Tücken
Die Koordinaten habe ich in Google Maps eingespeist und mir eine Route zum Ziel berechnen lassen. Google kann tolle Touren planen, sofern legale und befestigte Straßen zum Ziel vorhanden sind. Ansonsten stochert es auch im Trüben, wie ich beim ersten Versuch, den Wald- und Wiesenfund zu finden, herausgefunden habe. Ja, die Richtung war nicht vollends falsch, aber eben fernab des gewünschten Ziels.
Na gut, vertagen wir das Ganze eben auf Frühjahr 2022. Aber wie das so ist, es kommt einem oft das Leben und vieles andere dazwischen. So geriet der grüne Wagen auf der Lichtung schön langsam in Vergessenheit, und die Zeit zog dahin.
Rückkehr im November 2024
Im November 2024, wollte ich mal nachsehen, ob der Moretti 1300 Berlinetta noch immer im Waldboden versinkt und ob das Volkswagen T1-Heck nicht unweit davon noch am Waldesrand steht. Beide waren noch da, frische Bilder davon kannst du bald hier sehen.
Nach diesem erfolgreichen Besuch durchforstete ich meine Maps.me-App, ob nicht noch andere interessante Koordinaten abgespeichert waren. Und siehe da, da gab es ja noch den „Škoda auf der Lichtung“. Rein der Luftlinie nach waren das wenige Kilometer, und der Tag war noch jung. Die Wanderschuhe waren noch zu weiteren Erkundungen bereit, also machte ich mich auf den Weg. Nach einem Zwischenstopp im Supermarkt für einige Notfall-Nussriegel und etwas Wasser als Proviant ging es gen Osten.
Die letzten Meter bis zum Ziel
Leiten ließ ich mich diesmal von der Maps.me-App, und siehe da, laut deren Navigation konnte ich den Fundort bis auf 700 Meter Entfernung mit dem Auto erreichen. Irgendwo muss ich wohl ein „Privatstraße“-Schild übersehen haben, denn die letzten Kilometer waren auf sehr unbefestigter Straße zurückzulegen. Die letzten paar Hundert Meter auf einem Waldweg wären mit einem PKW unmöglich zu befahren gewesen, da dieser äußerst schmal war. Die vielen umgestürzten Bäume vom letzten großen Unwetter lagen noch quer über den Wanderweg verteilt und mussten mühsam überklettert werden.
Hatte man diese erst einmal überwunden, ging es flott dahin. Und so ging es raus aus dem Wald auf die teils sonnige Lichtung. Da stand ein Wirtschaftsgebäude, ein kleines Haus und etwas abseits ein noch kleinerer Holzschuppen.
Der Škoda 100: Ein Fund mit Charme
Irgendwo im hohen Gras konnte ich nach kurzer Zeit auch den Škoda ausmachen. Es ist ja nicht so, dass ich nicht autoaffin bin, und ich meine, ich kenne auch so einiges, was auf vier Rädern herumfährt. Aber bewusst ist mir, seit ich mich mit klassischen Fahrzeugen beschäftige, noch kein Škoda 100 untergekommen. Einzig dessen Vorgänger, den 1000 MB, konnte ich schon mal bildlich festhalten.
Der Škoda 100 sah ich ganz sicher mal in Kindertagen, entweder auf der Autobahn oder im Urlaub in Ex-Jugoslawien oder später in Kroatien. Eine bewusste Erinnerung konnte ich jedoch keine aus dem Unterbewusstsein ausgraben.
Dokumentation eines vergessenen Klassikers
Nun gut, also ein Škoda der Baureihe 100 bzw. 110. Also flugs die Kamera ausgepackt und ihn mal aus der Ferne umrundet und dokumentiert. Bei bekannten Fahrzeugen tut man sich da leicht, da weiß man gleich, wo die Schokoladenseiten sind, auf welche Details man sich freuen kann und was man ablichten möchte. Bei einem gänzlich unbekannten Fahrzeug, das man bewusst das erste Mal wahrnimmt, ist es ein Herantasten. Dazu kommt der Zustand des Škoda, der hier wohl schon einige Jahrzehnte in der Wiese kauert und den Unbilden der Witterung ausgesetzt war.
Der Lack ist ausgewittert und nur noch in Fragmenten vorhanden, Scheinwerfer und Heckleuchten fehlen oder wurden zerstört. Der Motordeckel fehlt, das Dach ist schon teilweise durchgerostet. Die Seitenfenster sind geöffnet oder fehlen, drei von vier Türen stehen offen. Rost gibt es reichlich, Moos findet sich so gut wie überall am Fahrzeug. Aber trotzdem hat dieser Fund sehr viel Charme, und es freut mich, dass ich ihn mit viel Ruhe erkunden und dokumentieren darf.
Ein seltener Škoda im Fokus
Soweit ich es recherchiert habe, wurden von diesem Škoda 100 noch keine Bilder veröffentlicht. Man findet zwar allerhand Škoda 100er in den verschiedensten Verwesungsstadien, auch im Wald, die meisten aber im ehemaligen Ostblock. Auch in Finnland gibt es einen mehrfach dokumentierten Fund einer Škoda 100-Limousine.
Empfehlung: Ein Blick auf gepflegte Klassiker
Wenn du sehen willst, wie ein gepflegtes Exemplar des Škoda 100 aussieht und wie er sich fährt, dann sei dir der Fahrbericht von Peter Ruch auf radical mag empfohlen.
„So gesehen bringt der über 50 Jahre alte Škoda also ein sehr erfreuliches Maß an Fahrspaß – und zeigt wieder einmal auf, dass man auch mit günstigen Klassikern fast mehr Freud‘ am Fahren hat als mit modernen Geschossen.“ Peter Ruch
Škoda 100 und 110: Tschechische Klassiker mit Charakter
Škoda 100 und sein größerer Bruder, der Škoda 110, sind Fahrzeuge mit Kultcharakter der 1970er-Jahre. Diese kompakten Limousinen gelten heute als echte Zeitzeugen tschechischer Automobilgeschichte. Zwischen 1969 und 1977 produziert, standen sie für robuste Technik, ein markantes Design und erschwingliche Mobilität – Eigenschaften, die sie im damaligen Ostblock und darüber hinaus populär machten.
Entwicklung und Hintergrund
Der Škoda 100 und 110 lösten 1969 die Škoda-1000-MB-Reihe ab. Trotz der ähnlichen Plattform setzten die neuen Modelle auf ein moderneres Design, eine verbesserte Aerodynamik und stärkere Motoren. Beide Modelle verfügten über ein Heckmotor-Layout und Hinterradantrieb, eine Bauweise, die Škoda bereits über Jahre etabliert hatte.
Die Produktion fand im Škoda-Werk in Mladá Boleslav statt. Diese Modelle wurden nicht nur in Osteuropa, sondern auch international verkauft. Gerade in Ländern des damaligen Ostblocks galten sie als zuverlässige und wartungsfreundliche Fahrzeuge. Von den insgesamt 1.136.610 gebauten Fahrzeugen wurden allein über 142.000 Exemplare in die DDR exportiert.
Technische Daten
Die Hauptunterschiede zwischen dem Škoda 100 und dem Škoda 110 lagen in den Motorisierungen. Beide Modelle teilten sich jedoch viele Bauteile und die gleiche Karosserieform.
– Škoda 100:
– Motor: 1,0 Liter, 4-Zylinder, 42 PS
– Höchstgeschwindigkeit: ca. 125 km/h
– Verbrauch: ca. 7 l/100 km
– Škoda 110:
– Motor: 1,1 Liter, 4-Zylinder, 45 PS
– Höchstgeschwindigkeit: ca. 135 km/h
– Verbrauch: ca. 7,7 l/100 km
Beide Modelle waren mit einem Viergang-Schaltgetriebe ausgestattet und wogen etwa 800 kg. Die Kombination aus Heckmotor-Layout und leichter Bauweise machte sie wendig und agil. Allerdings war das Fahrverhalten bei höheren Geschwindigkeiten anspruchsvoller, was dem Gewicht auf der Hinterachse geschuldet war.
Design und Ausstattung
Das Design des Škoda 100 und 110 war typisch für die späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre. Mit klaren Linien, runden Scheinwerfern und Chromakzenten wirkten die Modelle zeitgemäß und elegant. Die geschwungene Dachlinie verlieh den Fahrzeugen einen modernen Look, der sich auch heute noch sehen lassen kann.
Im Innenraum boten die Modelle Platz für vier Personen. Die Ausstattung war bewusst minimalistisch gehalten, entsprach aber den damaligen Standards. Der Kofferraum unter der Fronthaube und ein zusätzliches Fach hinter den Rücksitzen machten die Fahrzeuge besonders praktisch – ideal für Familien oder als Pendlerauto
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Gründer von Alltagsklassiker, mit großer Schwäche für gut gereifte japanische Fahrzeuge, Prospekte und Modellautos; Fotograf, Leseratte, bewegt Mazda MX-5 NA V-Special, Mazda 818 Sedan de Luxe, Puch Clubman und Puch Maxi L.