Der irrationale Markt

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Im deutschsprachigen Raum, bedingt durch die Globalisierung des Internets, herrschen die Regeln und das Wissen Deutschlands vor. Auch in der Altauto-Szene. Heimische Enthusiasten etwa kennen sich bestens bei H-Kennzeichen und TÜV-Gutachten aus, aber niemand hat einen Plan, wenn´s um die Eintragung als historisches KFZ geht. Zu diesem Thema gab es schon einmal einen Lenkeinfluss, ich weiß. Aber keine Sorge, das ist heute nur Nebenschauplatz. 

Der große Vorteil dieser Globalisierung und gleichzeitig Hauptthema unserer heutigen Unterhaltung: Die deutsche Gründlichkeit und Regelwut färbt auch auf uns g´schlamperte Ösis ab. So gibt´s in Deutschland etwa einige Organisationen, die aktive Marktbeobachtung betreiben und so Preislisten für Old- und Youngtimer etabliert haben, wie es sie sonst nur für unsere jungen Alltagsautos von Eurotax gibt. Classic Data und Classic-Analytics sind da zwei Adressen, an die man sofort denkt, wenn es um die Preisfindung geht. Und ja, natürlich – Eine solche Notierung ist immer Schwankungen unterworfen. Je größer der Markt für ein Auto ist, sprich je mehr Stückzahlen gehandelt werden, umso exakter wird der „Listenpreis“ mit dem reellen Marktwert übereinstimmen. Auch in Österreich! Denn solche Listen sind für unseren klitzekleinen Markt gar nicht vorhanden. Da darf man ruhig nach Deutschland schielen. Mit der uns Österreichern oftmals fehlenden Seriosität – „Awa geh weida, so haaß wird´s ned g´essn werdn“ – verkommen diese Preisnotierungen schließlich eh nur noch zu vagen Anhaltspunkten. 

Da gibt es nur ein Problem. Gerade weil es sich beim Thema Old- und Youngtimer um ein hochemotionales Feld handelt, das voller Befindlichkeiten, subjektiven Einschätzungen und Wunschträumen steckt, ist der Markt trotz aller Listenpreise und Werttabellen sehr irrational. Will der Ösi seinen Oldtimer verkaufen, ist jeder Anflug von Zurechnungsfähigkeit oft schnell verflogen. Es werden Fantasiepreise aufgerufen, die weder mit der Realität, noch mit etwaigen bundesdeutschen Preislisten vereinbar sind. Beispiel gefällig? Ein wunderschöner Mercedes-Benz 300c Cabrio D aus dem Jahr 1956. Auf den Fotos ein Traum in Silber. Schwülstig, herrschaftlich, mondän. Laut Beschreibung des Verkäufers Zustand 1 – 2. Dass es ohne rosa Besitzerbrille meistens eine Note weniger ist, sei hier außer Acht gelassen, es muss auf dieses Fahrzeug ja nicht zutreffen. 

Und was soll das gute Stück kosten? Tja… Der Besitzer hat ihn für 500.000 € inseriert. In der Beschreibung findet sich noch einmal der sympathische Hinweis „Nicht unter Euro 500.000,-“. Classic Analytics etwa listet das Gefährt in gutem Zustand zwischen 190.000 € und 260.000 €, im Preise-Sonderheft der Oldtimer Markt liegt er auch in dieser Region. Was rechtfertigt also die Verdoppelung des Preises? Das Inserat nimmt dazu nicht Stellung. Wenn der Vorbesitzer als Papst oder Rockstar gearbeitet hat, würde ich das im Inserat erwähnen. Aber so bleibt nur der fade Nachgeschmack, ein realitätsfernes Inserat eines Glücksritters gefunden zu haben. 

 

Symbolbild / Dorotheum

 

 

Für einen solchen Sucherfolg braucht es aber keine großartige Geduld. Solche Fälle gibt es mehr als genug. Auf Nachfrage, wie sich der Fantasiepreis des Schätzchens (30.000€ für ein Fiat 128 Coupe, 50.000€ für einen 280E W123 mit Klima usw.) zusammensetzt, hört man dann oft Sätze wie „Was ich in den Jahren reingesteckt hab, hätte ich gern mit Wertzuwachs wieder retour“ oder „Ich muss ja nicht verkaufen, aber wenn ich jemanden finde, der mir das zahlt…“. Besonders unterhaltsam ist auch immer „Er ist selten und selten ist teuer“. 

Herrschaften! Um das Marktgeschehen rund um unsere alten Kisten nicht komplett der Lächerlichkeit preis zu geben, wäre es angebracht, ein wenig mehr Rationalität an den Tag zu legen. Zumindest als grobe Anhaltspunkte eignen sich die gängigen Preislisten sehr wohl und wer sich bemüht, sein Auto zumindest in Ansätzen objektiv zu betrachten und den Zustand ein wenig realistisch einzuschätzen, wird auch erfolgreich verkaufen können. Denn kaum etwas ist peinlicher als das Gejammer glückloser Verkäufer, die ihre Kiste – natürlich zum Mondpreis – nicht angebracht haben und sich im Nachhinein ärgern, dass in der heutigen Zeit keiner „a Göd auslosn“ will. Auch wenn es grad nicht sehr modern ist, Fehler bei sich selbst zu suchen, aber einen Versuch wäre es manchmal wert.  

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