Das verlassene Motel

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Vom Suchen und Finden
Die Rubrik Lost Places lebt bekanntlich vom Suchen und mit viel Glück auch vom Finden. Meist sind es Zufälle, die zu einem feinen Fund führen, wie z.B. beim Waldfund. So manch ein Fundort wird von Mund zu Ohr weitergegeben, was auch gut ist damit sich die von Zerstörungswut getriebenen Vandalen nicht überall austoben können.

 

 

Was alles an Gerüchten über das verlassene Motel herumschwirren, wenn man mit verschiedensten Leuten spricht: Die Zimmer wurden stundenweise vermietet, illegale Machenschaften, Mafia, Geldwäsche, zwielichtige Gestalten die sich dort nächstens rumgetrieben haben sollen. Dabei fing das alles Anfang der 2000er höchst euphorisch und mit einem guten Konzept an. Das an der Autobahn angrenzende Motel, war durch einen nahegelegenen Autobahnanschluss gut erreichbar und sollte müde Reisende anlocken. Angeschlossen war ein Restaurant im Stil eines amerikanischen Diners, die als Pizzeria konzipiert war.

 

 

 

 

 

 

Nicht jeder gut gemeinte Plan geht auch auf
Merkt ihr den ersten großen Fehler? Zum einen war die Zeit noch nicht reif für ein Diner, zum anderen will man, wenn schon ein Diner dargeboten wird auch amerikanisches Futter haben. Geile Burger, Steaks, Ribs & Wings, Cheese Cake, Apple Pie und Milchshakes und keine Pizza, die es an jeder Ecke gibt. Das Experiment eines Pizzeria-Diner-Lokals war wegen Misserfolges recht schnell wieder geschlossen, kurz darauf versuchte sich auch ein Pächter als Glücksritter mit einem italienischen Ristorante. Auch dieses Gastspiel war von kurzer Dauer. Eine Tierarztordination folgte dem Ristorante, danach kam nur mehr Leerstand.

Das Motel dürfte wohl auch schon einige Jahre geschlossen sein, die Webseite wurde zuletzt 2008 gewartet, die letzte Bewertung auf einem Reiseportal fiel 2013 recht uncharmant aus.
Aber was interessieren mich die Gerüchte! Gerüchte die ich nicht auf deren Wahrheitsgehalt überprüfen will und kann, sie sind mir schlichtweg egal. Mich interessieren in erster Linie die zwei alten Karren, die dort rumstehen! Die habe ich schon vor Wochen von der Autobahn aus entdeckt, den Auslöser dann dort mal vorbeizusehen hat ein Facebookfan gedrückt, der mir ein Bild aus sicherer Entfernung geschickt hat. Damit war mein Interesse dann endgültig geweckt.

 

 

 

Zastava 750
Vorbei am Nachbarn, der frühmorgens schon vor seiner Garage sitzt und Radio hört und mir mit wenigen Worten zu verstehen gibt das es öfters mal Interessierte gibt, die nach den Autos sehen. Die Sonne ist eben hinter dem Hügel aufgegangen, ideal also um mit den morgendlichen Sonnenstrahlen ein wenig Licht ins Dunkel dieser beiden Skulpturen zu bringen. Beide Boliden haben definitiv schon bessere Zeiten gesehen. Aber worum handelt es sich, womit ich euch schon einige Zeilen lang lange triefende Zähne mache?

Da haben wir zuerst einmal einen Zastava 750, laut Auskunft vom Experten Marko (Fico Club Austria), sollte es sich um ein Modell aus den frühen 1970ern handeln, wobei auch einige Teile beim Exterieur von anderen Baujahren stammen dürften. Zastava hat von 1955 bis 2008 im einst jugoslawischen Kragujevac, nach Auflösung des Staatenbundes zu Serbien gehörend, bis 2008 Fahrzeuge in Lizenz oder auf Basis von Fiat-PKW produziert. Der Zastava 750 war ein Lizenzbau des Fiat 600, etwas länger als das Basismodell und mit kräftigerem Motor versehen. Während der dreißigjährigen Bauzeit gab es diverse Modifikationen, darunter ein stärkerer Motor mit 850 ccm der im Heck des Fico einzog. Eine rührige, gut vernetzte Szene kümmert sich liebevoll um den Erhalt des kleinen Ex-Jugoslawen – siehe auch meinen Bericht vom Treffen des Fico Club Austria aus dem Jahr 2017.

 

 

Dieses Exemplar hat wohl eine unfreiwillige nachträgliche Feuerverzinkung erfahren, wie man am Blasen werfenden Lackkleid ablesen kann. Die Scheiben sind teilweise geborsten, entweder durch die Hitzeentwicklung oder Vandalen. Der Rost nagt an der einen oder anderen Ecke, der Kitt splittert durch die Hitzeeinwirkung großflächig ab. Das Interieur ist ausgeräumt, außer dem Lenkrad und dem Schlüssel ist nichts mehr von der kargen Innenausstattung vorhanden.

 

 

 

Opel Olympia Rekord CarAvan
Das zweite Objekt vor der Kamera ist ein Opel Olympia Rekord CarAvan, der auf einem Sockel hoch über dem Zastava thront. Dieser Olympia Rekord ’55 stammt aus dem Modelljahr 1955 und ist somit das erste Facelift des 1953 präsentierten Nachfolgers des Olympia. Typisch für diese Modellgeneration ist seine Pontonkarosserie mit deutlichen amerikanischen Designanklängen.

 

 

 

Ein Design, das nach dem Vorbild des amerikanischen Mutterkonzerns GM jährlich modifiziert wurde. Der 55er bekam ein Luftleitblech in den Kühlergrill und entschärfte somit das aggressiv wirkende Haifischmaul. Dem in Blech ausgeführten Länderkennzeichen nach (YU), lief auch dieser Wagen im ehemaligen Jugoslawien. Der Opel ist vollständiger erhalten als der Fico, vor allem innen gibt es da deutlich mehr patinierte Details zu erkunden. Auch für eine ausreichende Luftzufuhr ist durch das eingeschlagene Fenster, die aus den Angeln hängende Türe, aber auch durch die Durchrostungen im Bodenblech, gesorgt. Dort wo sich kein Rost findet, hat sich Moos breit gemacht, das eine schließt das andere aber nicht aus – Platz ist genügend für beides vorhanden.

 

 

 

Was leider nicht geklärt werden konnte, ist warum diese beiden Autos mit Migrationsvordergrund gerade in diesem Hinterhof gestrandet sind. Wenn du Lust auf weitere Fahrzeuge hast, die irgendwo vor sich hin gammeln, dann besuche die Rubrik Lost Places.

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