Fuhrpark Historie: Ford Granada 2.0 L

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Warum Youngtimer
Seit 1999 hatte ich das Auto, von dem ich schon als 16-Jähriger geträumt hatte, meinen 91er V-Special MX-5 NA. Daneben kamen und gingen günstige Alltags- bzw. Wintergurken. Billig und ein gültiges Pickerl waren da die wichtigsten Eckdaten für die automobile Grundversorgung. Da waren u. a. eine Mazda 626 GD Limo in nackt und ohne nichts drinnen dabei, genauso wie ein Mitsubishi Colt C50. Alles brave Mitarbeiter wenn es darauf ankam, nur ohne Herz und Emotionen.

 

Ja ich war jung und hatte das Geld für ein Wunschkennzeichen!

 

2004
Wir befinden uns im Jahr 2004 und wenn man da die richtigen Magazine las, wurde man etwas wuschig. Wuschig auf was aus den 70ern oder 80ern. Ich rede hier nicht von langbeinigen und langhaarigen Grazien, sondern von Autos. Wobei, ach lassen wir das. Youngtimer zu fahren war das Gebot der Stunde, ein Begriff, der gerade erst neu aufgepoppt war und plötzlich war das der heiße Scheiß. Da wollte man als Petrolhead natürlich mit dabei sein, das Interesse für so eine alte Karre war auf alle Fälle geweckt.

 

 

Brot und Butter
Alte Autos waren bis dahin etwas für gesetzte Herrschaften mit wohl gefüllter Brieftasche. Auf einmal waren spießige Autos jedoch cool! Brot und Butterautos aus den 70ern und 80ern des eben erst zu Ende gegangenen Jahrhunderts waren plötzlich hip: Rekord, Granada, Strichachter und 123er, Taunus, Capri, Fiat 132, Fiesta, Datsun Laurel, Manta B, Escort, Audi 50, E12, Mazda 929 waren die Autos der Stunde. Am besten verziert mit Lammfellschonbezügen, plüschigen Lenkradhüllen, Wackeldackel und gehäkelten Klorollenmützen auf der Heckablage. Alles Dinge, für die wir unsere Altvorderen bis vor kurzem verspottet hatten. Plötzlich sah man junge Leute in alten Karren!

 

 

 

Zu jung für dunkelblaue Sakkos
Ein Subkultur war am Erwachen, fernab von alteingesessenen Oldtimerclubs mit Funktionären im dunkelblauen Zweireiher mit Goldknöpfen, formierten sich junge Heißsporne um gegen die Klassikerelite zu rebellieren. Da wurden dann Autos tiefergelegt, fette Walzen aufgezogen und oh Schreck mit der fusseligen Rolle aus dem Baumarkt schwarz matt gerollt – je trashiger, desto besser. Aber auch serienmäßig belassene Youngtimer wurden gerne genommen, oft mit zeitgenössischem Zubehör verfeinert.

 

 

Drivestyle
Bei mir war eindeutig die Autorevue schuld am Verfall, den in Ausgabe 9/2004 wurde mir der Drivestyle der 70er und 80er schmackhaft gemacht. Wer konnte schon Werner Jessner im schwarzen Netzhemd, es könnte aber auch ein Kescher vom letzten Angelausflug gewesen sein, im roten Manta CC widerstehen? Schwer angefixt, kam zu der Zeit auch die erste Ausgabe des Youngtimer Magazins der AMS heraus und man konnte Alf Cremers Schreibe noch gutheißen. Im erstklassig sortierten Zeitschriftenhandel war es dann nicht weit zum Motoraver Heft und so nahm der Wahnsinn seinen Lauf.

 

Autorevue 09/2004

 

Tief im Inseratensumpf
Willhaben gab es zu jenen Tagen noch nicht, dafür ein paar andere Motorbörsen und Ebay, die für feuchte Träume sorgten. Ein W123 in Englischrot (504) wurde in der tiefsten Oststeiermark besichtigt. Der gemächliche Vortrieb des 300D mit Automatik hätte mich nicht mal gestört, die großflächige Durchrostung unter dem Teppich im hinteren Fußraum ließ mich trotz Killerpreis vom Kauf Abstand nehmen. Mit aller Gewalt musste keine alte Möhre gekauft werden.

Griff ins Klo
Oder doch? Da gab es auf Ebay diese weiße C-Kadett Limo mit roter Innenausstattung! Günstig und laut Beschreibung in gutem Zustand, nicht weit weg von Graz und mit kurzem Auktionszeitraum. Da bietet man flott ein paar Hunderter, auch ohne Besichtigung mangels freier Zeit. Der Zuschlag schlug zu meinen Gunsten aus und so wurde ein Abholtermin fixiert. Fassen wir es so zusammen: Der Innenraum war echt rot und auch gut erhalten, der Rest geschickt fotografiert. Das Blech links im Kofferraum war nur mehr rudimentär vorhanden, der Blick auf die unter dem Wagen liegende Katze durchaus möglich. Mit etwas Nachdruck habe ich dem Verkäufer ausgeredet, das ich der glückliche Neubesitzer sein werde, bindendes Auktionsergebnis hin oder her. Vorspiegelung falscher Tatsachen, Betrug, Anwalt waren die Worte, die während des kurzen aber intensiven Gespräches gefallen sind.

Kiesplatz Romantik
Nach zwei Griffen in den Lokus, war es Zeit die Suche anders anzugehen: So wurden auch die Grazer Kiesplatz Händler einer nach dem anderen abgegrast, da gab es teilweise noch verlebte Perlen zu finden. So wurde ich dann auch an einem Sonntagvormittag am Lazarettgürtel fündig: Ein weißer 2er Granada aus den ersten Baumonaten 1977, Erstbesitz mit 72.000 Kilometern am Tacho, Ausstattung L – also nackt wie nur was, innen blau, Automat, 2 Liter V6 mit 90PS. Der Preis war heiß, 1900 wurden aufgerufen mit frischem Pickerl, die Kennzeichenunterlagen vom eben erst abmontierten Schwarzblech waren noch am Auto. Also dem netten schnauzbärtigen Endfünfziger mein Interesse ein paar Tage später persönlich bekundet und die blauen Taferl zur Probefahrt aus gefasst. Die ging nicht nur durch die Stadt und über Landstraßen, sondern auch schnurstracks zur Werkstatt des Vertrauens zum Rundum-Check. Der Befund war erwartbar – keine Durchrostungen, aber leichte Spuren der vergangenen 27 Jahre, die angesichts der geringen Kilometerleistung vertretbar waren.

 

 

Probefahrt schützt vor Strafe nicht
Also wieder raus beim Händler und keine 50 Meter weiter kam die Kelle des Straßenaufsichtsorgans, der die Probefahrtbescheinigung, Führerschein, Verbandkasten und Warndreieck sehen wollte. Alles war natürlich vorhanden und korrekt, bis auf das fehlende Verbandsmaterial. Irgendwas ist ja immer! So durfte ich die Geldbörse zücken und dem Staate Österreich eine Unterstützung zukommen lassen. Dieser Fauxpas vom Händler traf sich gut bei den folgenden Preisverhandlungen. Eine freche Preisvorstellung meinerseits, Handlungsspielraum seinerseits ergaben einen guten Preis und der erste richtig alte Wagen war mein.

Entschleunigungsmaschine
Der Granni kam aufs Wechselkennzeichen zum MX-5 dazu, folglich war man immer gut angezogen. Als standesgemäße Accessoires zogen ein Wackeldackel und eine gehäkelte Klorollenmütze auf die Hutablage. Das korrelierte gut mit seinen Fahreigenschaften, die, wenn man direkt aus dem MX-5 umstieg, lachhaft waren. Dort der dynamische fahraktive wieselflinke Roadster, der jede Kurve herbeisehnte und jede Fahrt zum Fest machte. Da der träge, gemächliche alte Herr ohne Servolenkung, von dessen 90PS gefühlt ein Drittel in der Dreistufen-Automatik versandeten. Jedes wegfahren, war wie ein Ablegen eines alten Dampfers von der Bordsteinkante, erst wurde der Motor laut, irgendwann wandelte der Automat auch etwas vom Motorlärm in Vortrieb um und die Fuhre setzte sich in Bewegung, nicht schnell aber immerhin. Aber als Dailydriver lehrte er mich eines: Entschleunigung!

 

 

Wir sind die coolsten, wenn wir cruisen
So fuhr man wie sonst schon mit dem MX-5 planlos durch die Gegend, erkundete sein näheres und weiteres Lebensumfeld und lauschte dem wohligen Klang des V6. Man merkte erstmals, wie viele alte Autos eigentlich im Sommer noch im Straßenverkehr anzutreffen waren. So kam es auch, das mich eines Tages Martin ansprach, der mir mit seinem Knudsen-Cabriolet begegnet war. Es gab da einen Mail und SMS Verteiler Oldtimer Begeisterter, die sich in losen Abständen trafen um zu Treffen oder Teilemärkten gemeinsam anzureisen. So war ich auch mit dabei, als es galt, das größte Oldtimertreffen im Süden Österreichs in Graggerer zu besuchen. Dieser Besuch scheiterte fast daran, dass mir ein Schlaumeier an der Einfahrt zum Treffen der bereits um 9h morgens 2 Promille im Gesicht hatte, fast den Besuch verweigerte hätte. Alles mit Erstzulassung vor 1970 war seiner Meinung nach würdig, eingelassen zu werden. So war eben der Granada auch ein 70er Baujahr und ich war drinnen. Dort konnte man aber auch fabrikneue Porsches und Ferraris bestaunen, folglich wird dieses Treffen seitdem gemieden.

Granni Blog
Der MX-5 Leidenschaft fröne ich seit 1999, seit 2000 gibt es dazu auch den MX-5 Austria Blog. Auch der Granni bekam auf einer österreichischen Web-Log Plattform sein Tagebuch, die zu meinem erstaunen immer noch existiert. Der letzte Eintrag auf Granada ’78 stammt vom 15. August 2008 und verkündet von meinem neuen Projekt Alltagsklassiker.

 

 

Dailydriver
Den Winter 2004/2005 über diente der Granada als tüchtiger Alltagsklassiker und musste jeden Tag ran am Weg zur Arbeit und allen weiteren zu bewältigenden Strecken. Tüchtig war im Winter auf der Kurzstrecke auch sein Durst, da liefen schon mal 17L vom guten Sprudel durch den Vergaser. Es ging aber auch mit 10 Litern, wenn man das Dickschiff gemächlich konstant auf Strecke bewegte. Warum auch immer, aus heutiger Sicht, habe ich den Granni im Frühjahr dann im neu gewonnenen Freundeskreis zum Verkauf angeboten. Schnell fanden sich mit Harald und Gabi Käufer, die sich des dicken weißen voller Freude annahm. Somit war vorerst das Kapitel Ford in meinem Leben abgeschlossen, es sollte aber nicht der letzte bleiben …

 

 

 

 

Titelbild: Rudolf Stricker

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